Die Christliche
Gedächtnisfeier

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Was uns als Team reformorientierter Katholiken bewegt

Die Feier der Eucharistie (d. h. „Danksagung“) ist, wie das II. Vatikanische Konzil feststellt, Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens. Sie geht auf das letzte Mahl zurück, das Jesus mit den Seinen hielt. Dabei rief er dazu auf, hinkünftig wie an diesem Abend zu seinem Gedächtnis Brot und Wein zu sich zu nehmen und damit die Gemeinschaft mit ihm fortzusetzen. Schon die ganz frühen Christen folgten dem getreulich und versammelten sich in ihren Häusern zu einer solchen Mahlfeier („Brotbrechen“ genannt).

Weltweit mehr als eine Milliarde Menschen bekennen sich heute zum christlichen Glauben in der Katholischen Kirche, welche die Eucharistiefeier als Zentrum des Glaubens und der Gemeinschaft betont. Aber vor allem in den hochentwickelten Industriestaaten geht die Teilnahme daran deutlich und fortschreitend zurück. Diese sehr besorgniserregende Erscheinung hat keineswegs nur mit der Säkularisierung unserer Gesellschaft und dem stets beklagten „Glaubensverlust“ zu tun. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die vorgeschriebene katholische Messe für viele Menschen Bedeutung, aber auch ihre Anziehungskraft eingebüßt hat. Dies gilt besonders für die Jugend, die Spiritualität gegenüber zwar aufgeschlossen erscheint, aber Institutionen und deren Regeln kritisch gegenübersteht.

Wenn wir nach den Ursachen dieser verlorengehenden Bedeutung forschen, müssen wir uns das ursprüngliche Wesen der Eucharistiefeier vor Augen führen. Sie bedeutete die Zusammenkunft der Anhänger des neuen Glaubens in Gemeinden, die sich Jesu Leben, Wirken und Lehren vergegenwärtigten. Den Teilnehmern wurde dabei bewusst, dass sie einer Gemeinschaft von Menschen angehören, die danach streben, in ihrer Gesinnung und ihrer persönlichen Haltung, also in ihrem ganzen Leben die Heilsbotschaft Jesu anzunehmen. Das Beispiel, das die Christen damit gaben, war zweifellos der Grund für die unvorstellbare Ausbreitung ihres Glaubens in einer von Rücksichtslosigkeit und Gewalt gekennzeichneten Welt.

Bedenken wir es aber nun: Eucharistie zu feiern, sollte sehr wohl auch in unserer Zeit die Aufgabe der Christen sichtbar und spürbar machen, Licht der Welt zu sein! Dazu bedürfte es eines Glaubenslebens, das in seinem Zentrum, dem Gottesdienst, ganzen und unverfälschten Ausdruck findet. Doch die gängig katholische Sonntagsmesse hat sich von diesem eigentlichen Wesensgehalt entfernt.

In ihr kommt die Eigenart einer Kirche zum Ausdruck, die sich im Bündnis mit den weltlichen Herrschern zu einer mit Macht ausgestatteten Institution entwickelte. In sicher guter Absicht sollte einst meist noch ungebildeten und unselbständigen Menschen durch zahlreiche Vorschriften beigebracht werden, wie sie ihr Seelenheil retten könnten. Ein über das Kirchenvolk erhobener geistlicher Stand hat sich dafür herausgebildet, der nach der sog. Konstantinischen Wende im 4. Jh. vom Staat mit vielen Privilegien ausgestattet wurde – dazu gehörte auch der Beamtenstatus für höhere Geistliche. Dieser Stand nahm die Stellvertreterrolle Christi in Anspruch und erklärte sich von Gott dazu berufen, nach seine Vorstellungen, die durchaus auch von weltlichen Gesichtspunkten beeinflusst waren, über das Glaubensgeschehen zu bestimmen.

In der noch ungeteilten katholisch-orthodoxen Kirche war der Primat des römischen Bischofs, der sich vom „Nachfolger Petri“ mehr und mehr zum „Vicarius Christi“ entwickelte, noch gezähmt; aber nach der Kirchenspaltung im 11. Jh. konnte der Papst (als allein verbliebener „katholischer“ Patriarch) seine Macht in der Katholischen Kirche (welche nunmehr weitgehend mit der Lateinischen identisch war) immer weiter ausbauen. Dies endete schließlich damit, dass ihm das Erste Vatikanische Konzil 1870 eine unmittelbare Gewalt über die ganze Kirche samt aller „Hirten und Schafe“ sowie eine Unfehlbarkeit in Glaubensfragen zuerkannte.

Seit damals ist der Papst nicht nur de facto, sondern auch de iure der absolute Herrscher in der Kirche, an dessen Gewalt faktisch nur noch die römischen Dikasterien teilhaben. Die päpstliche Kurie hat freilich „im Namen des Papstes“ ein Eigenleben entwickelt; gegen ihr Selbstverständnis und ihren Korpsgeist scheint mittlerweile sogar der Papst machtlos zu sein.

Die kirchliche Liturgie der Eucharistie beinhaltet als Ergebnis dieser dargestellten Entwicklung wesentliche Elemente, die überholt und kaum mehr verständlich (tlw. noch dem byzantinischen Hofzeremoniell entnommen) sind und somit dem wahren Sinn der von Jesus gestifteten Gemeinschaftsfeier nicht entsprechen. Sie stehen auch nicht mehr in Übereinstimmung mit dem Denken unserer Zeit. Es wird in einer Sprache und in Vorstellungen verharrt, die den Menschen fremd geworden sind.

Zu all dem kommt, dass in unseren Breiten immer weniger junge Menschen den Priesterberuf ergreifen wollen. Auch ist der Zugang zu diesem an unverständliche einschränkende Bedingungen gebunden. Da aber im gegenwärtigen klerikalen System die Laien und selbst die Diakone die Priester in ihren herkömmlichen Funktionen nicht ersetzen dürfen, wirkt der Mangel an Geistlichen verheerend und zerstört unverzichtbare Gemeindestrukturen. Ihm kann nur durch Aufhebung dieser unverständlichen Bedingungen sowie die Zulassung zum Weiheamt aller geeigneten Personen ohne Rücksicht auf das Geschlecht abgeholfen werden. In weiten Bereichen gibt es keine wirkliche Seelsorge einschließlich eines zumutbaren Angebots an Eucharistie mehr. Als eine Folge davon wird in Wortgottesfeiern oder Andachten ausgewichen, die dem, was uns Jesus aufgetragen hat, einfach nicht entsprechen.

Unser Programm

Abhilfe ist dringend notwendig! Wir sind der Überzeugung, dass sie zumindest im Gottesdienst durch erneuerte und authentische Formen der Eucharistie erfolgen kann und soll. Wenn engagierte Männer und Frauen mit diesem Ziel eigen­verantwortlich Feiern gestalten, könnten der Wert des Glaubens und die von ihm vermittelte Freude für uns Christen sowie die gesamte Gesellschaft wieder erlebbar und sichtbar werden. Der Neutestamentler Peter Trummer sagt dazu: „Die christlichen Gemeinschaften und Hauskirchen sollen alternative sakramentale Mahlfeiern einüben. Wo der Einsetzungsbericht unverzichtbar scheint, sollte er als Lesung ausgewiesen sein, um unnötige kirchliche Grenzverletzungen zu vermeiden.“ Die beim Bibelwerk Stuttgart tätige Theologin Anneliese Hecht beklagt recht anschaulich eine Fehlentwicklung vom Brotbrechen zum Stehimbiss: „Wenn wir Jesu Vermächtnis aus der Bibel ernst nehmen und tun, was er uns aufgetragen hat, dann sollte das eucharistische Mahl ein echtes Essen und Trinken sein“.

Der Pastoraltheologe Paul Zulehner erwartet für die Zukunft, dass die Gemeinden aufgrund ihres Reichtums an Begabungen für das Feiern, das Verkünden und den Dienst an anderen Menschen sich selbst als „priesterlich“ verstehen würden. In diesem Sinn will das vorliegende Dokument zu aktiver geschwisterlicher Gemeinschaft im Gottesdienst anregen und ermutigen; zu ideenreicher Gestaltung von Glaubensereignissen, wie sie erfahrungsgemäß auch von jungen Menschen gern angenommen werden, die lieber gestalten als Vorgegebenes konsumieren wollen. Das Bedürfnis danach wird bei Katholiken, denen ihr Glaube wichtig ist, heutzutage immer mehr wahrnehmbar. Es gibt bereits nicht wenige Schritte in die Richtung von neu gestalteten Feiern, die wohlverstandenen Glauben in bewegender Form ausdrücken. Auch einfühlsame Geistliche bemühen sich verdienstvoll in diesem Sinn.

Überdies ist auch sehr zu hoffen, dass von all diesen Bestrebungen Impulse für eine überfällige Erneuerung der kirchenoffiziellen Liturgie ausgehen. Was von uns angeregt wird, will einem vernünftigen und von klerikalem Denken unbeeinflussten Verständnis des uns überlieferten Evangeliums entsprechen. Dem Willen Jesu auf diese Weise treu zu sein, bedarf keiner weiteren Begründung oder gar Rechtfertigung!

Abschließend sei ganz Wesentliches festgestellt: All das soll in der Katholischen Kirche geschehen. Nicht anderswo oder in Trennung, sondern als Handeln verantwortungsvoller Menschen in und im Sinn einer christlichen Glaubensgemeinschaft! Es geht auch keineswegs darum, die gängigen – traditionell als „Großveranstaltungen“ konzipierten – Feiern zu verdrängen, wo dieselben – z.B. wegen der Menge der Teilnehmer – immer noch praktisch unentbehrlich sind. Freilich müssen auch sie da und dort von volkskirchlicher Theologie und Frömmigkeit befreit werden. Dennoch haben sie ihren Wert und werden vielfach angenommen, wie überhaupt alles Bemühen der Kirche in seiner Gesamtheit gesehen werden muss. Aber es bedarf nun unbedingt mutiger Anstöße, um rechten Glauben in neuen, tatsächlich aber oft ursprünglichen Formen wieder erkennbar zu machen und das uns Mögliche dazu beizutragen, ihm damit auch eine Zukunft zu geben. Er würde so sehr gebraucht!

In der österlichen Zeit des Jahres 2019

Herbert Bartl
Heribert Franz Köck
Herbert Kohlmaier
Wolfgang Oberndorfer
Herbert Peherstorfer
Hans Stetter

Die
Christliche
Gedächtnisfeier